Bodenpolitik: Wem gehört der Boden?


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Bodenpolitik: Wem gehört der Boden?

Bodenpolitik wird in vielen europäischen Städten wieder zum zentralen Thema. Bodenpolitik entscheidet darüber, wie sich Stadtviertel entwickeln, wer sich das Wohnen leisten kann und wie viel Einfluss die Kommune behält. Immer mehr Städte holen Flächen zurück in öffentliches Eigentum.
Boden ist mehr als Ware
Grund und Boden sind keine beliebige Handelsware. Sie sind die physische Grundlage jeder Stadt. Wer Boden besitzt, entscheidet über Nutzung, Bebauung und langfristige Entwicklung. Doch viele Kommunen haben in den vergangenen Jahrzehnten große Teile ihres Bodens verkauft – oft aus finanzieller Not. Heute versuchen sie, diese Entscheidungen zu korrigieren.
Bodenpolitik: Rückkauf als politische Strategie
Städte wie Berlin, Wien, Amsterdam oder Paris verfolgen gezielte Rückkaufsprogramme. Berlin etwa sicherte sich zuletzt Flächen wie das Dragoner-Areal oder Grundstücke entlang ehemaliger Bahnstrecken. Die Stadt Wien geht seit Jahrzehnten konsequent einen anderen Weg: Dort werden Grundstücke selten verkauft, sondern langfristig über Erbbaurecht vergeben. Mehr als 70 % der Neubauten entstehen auf gemeinnützig verwaltetem oder kommunalem Boden.

Rückkäufe betreffen aber nicht nur große Areale. Auch kleinere Grundstücke in zentralen Lagen werden von Städten zunehmend strategisch erworben – etwa über städtische Entwicklungsgesellschaften oder Bodenfonds. In Zürich verwaltet die Stiftung PWG rund 140 Immobilien auf kommunalem Boden. In Frankfurt und Leipzig sind ähnliche Modelle in Planung.
Warum Bodenpolitik wirkt
Kommunaler Boden schafft Handlungsspielraum. Städte können dort sozialen Wohnungsbau fördern, Mieten langfristig stabil halten oder öffentliche Infrastruktur planen – unabhängig vom Markt. Das verhindert die Entstehung rein profitorientierter, abgeschlossener Quartiere. Je mehr Boden in öffentlicher Hand bleibt, desto größer ist die Kontrolle über das, was gebaut wird – und für wen.
Zudem sinkt der Wettbewerbsdruck auf Boden, wenn Kommunen strategisch zurückkaufen oder Flächen in Bestand halten. Das schützt besonders sozial schwächere Haushalte vor Verdrängung. Bodenpolitik ist damit immer auch Sozialpolitik – im besten Sinne des Wortes.

Erbpacht statt Verkauf
Wo Rückkäufe teuer oder nicht realisierbar sind, kommt Erbbaurecht ins Spiel. Die Stadt bleibt Eigentümerin des Bodens und vergibt Nutzungsrechte – meist über 60 bis 99 Jahre. Diese Lösung ist in Amsterdam Standard: Rund 80 % aller Grundstücke dort stehen im Erbbaurecht. Auch Städte wie München oder Freiburg bauen das Modell zunehmend aus. Es verhindert Spekulation und sichert langfristig kommunale Steuerung.
Hinzu kommt: Erbpachtmodelle machen den Einstieg in den Wohnungsbau für Genossenschaften, soziale Bauträger oder Baugruppen leichter, da die anfängliche Kapitalbelastung sinkt. So entstehen alternative Wohnformen, die den Markt beleben und soziale Durchmischung fördern.
Preisexplosion und Kaufdruck bei Bodenpolitik
Ein Grund für den Strategiewechsel liegt in der rasanten Preisentwicklung. Boden ist vielerorts teurer als der eigentliche Bau. In München etwa machten Grundstückskosten 2023 im Schnitt über 50 % der gesamten Projektkosten aus. Je mehr Städte verkaufen, desto weniger können sie gestalten – und desto höher werden die Preise für alle.

Auch kleinere Städte und Gemeinden berichten von ähnlichen Entwicklungen – besonders in wachstumsstarken Regionen. Ohne aktives Gegensteuern droht eine dauerhafte Marktverzerrung, bei der Grundstücke nur noch als Spekulationsobjekte behandelt werden.
Kritik und Realität
Natürlich gibt es auch Kritik. Rückkäufe sind teuer. Erbpachtmodelle gelten als kompliziert. Und nicht alle Städte haben die Mittel, um Flächen zurückzuholen. Doch die Kosten des Nichthandelns sind oft größer: Verlust von Steuerungsmöglichkeiten, soziale Entmischung und ein Wohnungsmarkt, der nur für wenige funktioniert.
Experten wie der Stadtforscher Andrej Holm sehen darin eine „Schlüsselfrage für die soziale Zukunft der Städte“. Die Bodenfrage entscheidet über Teilhabe, Gerechtigkeit und ökonomische Balance im urbanen Raum.
Fazit
Bodenpolitik ist mehr als Verwaltung – sie ist aktive Gestaltung der Zukunft. Wer den Boden besitzt, entscheidet darüber, wie Städte aussehen, wer dort leben kann und wie nachhaltig sie wachsen. Der Trend zur Rekommunalisierung zeigt: Städte holen sich ihr Fundament zurück. Denn ohne Boden gibt es keine Stadt, die allen gehört.
